Ethik – die Frage nach dem
Guten und Richtigen.
Einfach ausgedrückt kann man Ethik verstehen als die Frage nach dem Guten…
- ein guter Mensch sein
- Gutes tun
- ein gutes Leben führen
… und nach dem richtigen Handeln in einer komplizierten Wirklichkeit mit ihren Widersprüchen und Spannungsfeldern.
Woher wissen wir, was richtig ist?
Woran messen wir, was gut ist?
Selbst alltägliche Entscheidungen können kompliziert sein.
Eine umweltbewusste Kundin steht im Supermarkt vor dem Gemüseregal: Es gibt zwei Sorten Äpfel, die einen konventionell und unverpackt, die anderen bio, aber in Plastik eingeschweißt. Was nun?
In einem Bekleidungsgeschäft hat ein Kunde mehrere Hosen vor sich liegen: Die Braune sitzt perfekt, aber eigentlich wollte er lieber eine Blaue. Die Blaue ist aber eine Idee zu kurz. Richtig chic findet er die graue Hose, doch die ist ihm zu teuer. Nun bringt die Verkäuferin noch eine vierte, die hat sogar ein Öko- und Fairtrade-Siegel, blau ist sie auch aber aus Leinen – sehr angenehm, aber knittrig… Sie ahnen schon – Die ideale Hose gibt es nicht, dafür gibt es eine Menge Bewertungskriterien: Farbe, Passform, Preis, Qualität, und nicht zuletzt Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit. Wie soll man da zu der richtigen Entscheidung kommen?
Ein Hosenkauf ist eine vergleichsweise einfache Angelegenheit. In der Wirklichkeit von Unternehmen sind Management-Entscheidungen komplexer und vor allem folgenreicher. Das ‚Hosen-Modell‘ findet sich jedoch immer wieder – es gibt selten die eine ideale Lösung, Abwägung ist nötig.
Der Bedarf an Ethik entsteht in komplexen Entscheidungssituationen.
In sozialen und pflegerischen Berufen wird die Polarität zwischen Respekt vor der Selbstbestimmung, der Sorge für das Wohl eines schutz- und hilfebedürftigen Menschen und den verfügbaren Ressourcen austariert. Von medizinischen Behandlungsentscheidungen hängt das Wohl und Wehe eines Menschen ab, hier muss jede Situation individuell beurteilt werden. Das Für und Wider macht viele Entscheidungen schwer und erfordert sorgfältige Abwägung.
Einrichtungen der sozialen Arbeit und des Gesundheitswesens stehen vor der Herausforderung, fachliche, rechtliche und wirtschaftliche Anforderungen auszubalancieren. Widerstreitende Interessen sollen in Einklang gebracht werden. Werte und Normen sollen bei diesen Balanceakten Orientierung geben. Dabei orientieren sich die verschiedenen Professionen an unterschiedlichen Kriterien: Pflegerische, medizinische oder pädagogische Arbeit setzen andere Prioritäten als eine betriebswirtschaftliche Sichtweise.
Eine Entscheidung wird aufgrund dessen getroffen, was man zu diesem Zeitpunkt wissen kann, doch ob sie sich als richtig erweist, wird sich erst im Rückblick beurteilen lassen.

Eine ethische Überzeugung zu entwickeln, erfordert Übung.
Fachlichkeit und Werteorientierung sind in der Pflege, in der Pädagogik und in allen Berufen, in denen Menschen mit Menschen arbeiten, nicht voneinander zu trennen. Um Wertvorstellungen und ethische Grundsätze im Handeln zu realisieren, sind spezifische Kompetenzen erforderlich. Die Kenntnis von ethischen Grundsätzen und Wertvorstellungen gehört dazu, aber vor allem die Fähigkeit Situationen fachlich und ethisch beurteilen zu können, Wertekonflikte zu erkennen und Lösungswege zu finden. In Falldiskussionen werden die Fähigkeit zum Perspektivwechsel und zum Dialog eingeübt.
Eine „werteorientierte Organisation“ ist mehr als die individuellen Haltungen der Mitarbeitenden.
Mitarbeitende stehen häufig im Spannungsfeld zwischen ihren individuellen Vorstellungen vom Guten und Richtigen und dem, was zu tun gefordert ist. Dadurch können Mitarbeitende in Gewissenskonflikte geraten, die in hohem Maß belastend sind. Individuelle moralische Haltungen reichen nicht aus, um diakonische Arbeit werteorientiert zu gestalten. Die Gestaltung von Rahmenbedingungen, unter denen wertegeleitet gearbeitet werden soll, ist eine Aufgabe der Organisationsethik.
Ethische Fragen entstehen durch Hilfeleistung in organisierter Form.
Anderen Menschen helfen geschieht immer noch von Mensch zu Mensch, doch in unserer Gesellschaft vielfach durch Organisationen und Unternehmen, die ihrerseits Teil des Gesundheitssystems und des Sozialmarkts sind. Die organisierte Form der Hilfeleistung bringt spezifische ethische Problemstellungen hervor.
Ein Beispiel: Selbstbestimmung gilt als hoher Wert, und viele Einrichtungen versprechen eine individuelle Versorgung. Auf der anderen Seite muss professionelle Hilfeleistung in Einrichtungen des Gesundheitswesens standardisiert werden, schon aus Kostengründen, aber auch um der gerechten Verteilung knapper Ressourcen willen. Die Prüfung, wie selbstbestimmte Lebensführung und Individualität unter den gegebenen Rahmenbedingungen ermöglicht werden können, ist eine organisationsethische Aufgabe.
Ethik in Organisationen erfordert ein Procedere zum Umgang mit ethischen Fragestellungen und schwierigen Entscheidungen.
Viele Organisationen formulieren Leitbilder, Leitlinien und andere offizielle Positionierungen, in denen handlungsleitende Werte und Normen formuliert sind. Diese gewinnen Relevanz in der Organisation, indem sie regelmäßig bei Entscheidungen herangezogen werden. Organisationsethik beschäftigt sich daher u.a. mit Organisationsstrukturen:
- Methoden der ethischen Urteilsbildung und Entscheidungsfindung
- Zuständigkeiten und Kommunikationswege
- Gremien und Settings zur ethischen Urteilsbildung, Ethikberatung
- Instrumente, z.B. Leitfäden zur ethischen Fallbesprechung, Dokumentation
- Leitlinien und Stellungnahmen zu ethischen Themen
- Richtlinien im Organisationshandbuch
Ethik in Organisationen erfordert eine Inhaltliche Bestimmung der Werteorientierung.
Ethische Leitlinien, Unternehmensgrundsätze, Verhaltensrichtlinien stehen im Zusammenhang mit Unternehmenszweck und Zielen.
Sowohl der Unternehmenszweck als auch die Ziele von Einrichtungen in christlicher Trägerschaft basieren auf christlichen Überzeugungen: dem Gebot der Nächstenliebe, dem biblischen Auftrag zur Hilfeleistung, einer theologischen Anthropologie, einer Vorstellung vom Wirken Gottes in der Welt. Diese Glaubensgrundlagen werden von vielen Mitarbeitenden nicht mehr geteilt, die davon abgeleiteten Wertvorstellungen hingegen schon: So wünschen sich viele Pflegekräfte die Möglichkeit, auf seelische Nöte von Patientinnen und Bewohnern eingehen zu können und ihnen im Geist der Nächstenliebe zu begegnen. Diakonische Organisationen stehen vor der Herausforderung, die Grundlagen ihrer Wertvorstellungen plausibel zu machen.